Philip Schlaffer sieht junge Extremisten heute mit gemischten Gefühlen. Sie tun ihm leid. Am liebsten würde er sie durchschütteln, ihnen eine Ohrfeige verpassen und dann zum Döner einladen. Als ehemaliger Neonazi und Rotlicht-Rocker weiß er genau, wohin eine radikale Laufbahn führt.
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„Die Demokratie ist unter Beschuss“, mahnt er. Angesichts des Erstarkens rechtsextremer Gruppen und Parteien wie der AfD besuchte er unsere Schule, um über seine Vergangenheit und die Gefahren des Extremismus zu sprechen. Und sein Vortrag, den er vor den 10. Klassen sowie interessierten Lehrkräften und Oberstufenschülern hielt, war alles andere als schlaff!
Aufrichtig erzählte er uns seine Lebensgeschichte. Geboren in eine wohlhabende Familie, zog er mit zehn nach England, mit vierzehn zurück nach Deutschland. Der Leistungsdruck seines Vaters setzte ihm zu, seine Noten sanken, er flog vom Gymnasium. Auf der Realschule fasste er den Entschluss: „Wer mir jetzt blöd kommt kriegt was aufs Maul!“
Ohne Halt und erfüllt von Hass fand er Anschluss an Gleichgesinnte. Mit 16 Jahren schmückten Hakenkreuz- und Reichsflagge sein Zimmer. Seine 19-jährige Schwester zog aus – aus Angst vor ihm. Mit 19 posiert er mit einer AK-47 vor der Reichsflagge und grinst in die Kamera – Fotos und Videos gaben uns Zuhörern tiefe Einblicke in sein Leben in der Szene.
Philip Schlaffer wurde eine zentrale Figur im norddeutschen Neonazi-Milieu, leitete eine Kameradschaft, war in der Rechtsrock-Szene aktiv und gründete später den Rockerclub „Schwarze Schar Wismar“. Sein Geld verdiente er unter anderem mit Prostitution und Drogenhandel. Über Jahre hinweg wurde er von Polizei und SEK ins Visier genommen, musste Hausdurchsuchungen, Gerichtsverfahren und Haftstrafen über sich ergehen lassen. Doch der Druck forderte irgendwann seinen Tribut: Philip kämpfte mit schweren gesundheitlichen Problemen wie Migräne, Schlafstörungen und Depressionen. Als sein Rockerclub verboten wurde, wagte er die Gelegenheit: Nach zwei Jahrzehnten in der Szene stieg er aus.
Heute arbeitet Philip Schlaffer glücklich verheiratet als Anti-Gewalt- und Deradikalisierungstrainer und engagiert sich in der Präventionsarbeit an Schulen. Nach seinem Vortrag hatten viele von uns die Gelegenheit, ihm neugierig Fragen zu stellen, die er aufmerksam beantwortete. Auf die Frage, ob Rechts- oder Linksextremismus schlimmer sei, entgegnete er, dass es keinen Unterschied mache – sobald Menschenfeindlichkeit im Spiel ist, sei eine Grenze überschritten.
Zwar heißt es nicht mehr „Ausländer raus!“, sondern verschleiert „Remigration“. Aber die Ideologie dahinter bleibt dieselbe – und genau davor warnt Philip Schlaffer. Einst glaubte er, zu „den Guten, den Besten“ zu gehören, doch er musste erkennen, dass das Gegenteil der Fall war.
Sein Vortrag rüttelt auf – besonders als er schilderte, wie ihn seine Rockerkameraden nach einer Silvesterfeier anriefen, um eine Leiche aus dem Clubhaus verschwinden zu lassen. Philips Geschichte macht deutlich: Hass und Gewalt führen in eine Sackgasse. Dass er so offen darüber spricht, verdient höchsten Respekt. Seine Botschaft ist eindeutig: Demokratie ist kein Selbstläufer – sie muss verteidigt, vor allem aber gelebt werden!
Text: Len Sarrazin, Foto: Stefan Roters.
Wir bedanken uns recht herzlich bei Philip Schlaffer. Ebenfalls gilt ein großer Dank Ingo Lüttecke als Vertreter der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, welche die Veranstaltung finanzierte. (Sebastian Zermann)