Zweijähriges Projekt Heimatkunde 2.0 beendet / Gymnasium ist eine von zehn Europaschulen im Emsland
Der Abschluss des zweijährigen Erasmus+-Projektes „Heimatkunde 2.0 – von der Heimat digital erzählen“ sowie die Rezertifizierung als Europaschule ist am Freitag am Gymnasium Georgianum mit mehreren Ehrengästen gefeiert worden. Foto: Carsten van Bevern
LingenMit Partnerschulen in Italien und Ungarn hat sich das Georgianum seit 2017 am Erasmus+-Projekt „Heimatkunde 2.0 – von der Heimat digital erzählen“ beteiligt. Nach dem offiziellen Projektende bleibt Europa aber ein wichtiges Thema, ist das Gymnasium doch weiter eine von zehn Europaschulen im Emsland.
„Trotz aller Sprachbarrieren haben wir schnell gemerkt, wie viele Gemeinsamkeiten wir doch haben. Und man kann nicht über andere Menschen und Länder urteilen, ohne dort gewesen zu sein und sich kennengelernt zu haben. Am besten nicht nur im Urlaub, sondern direkt bei einheimischen Familien.“ Die Zwölftklässlerin Clara Wusterack hat schon mehrere derartige Erfahrungen sammeln können, war über das Jugendaustauschprogramm des Lingener Rotary-Clubs bereits in Zimbabwe und ist von dem nun abgeschlossenen Erasmus+-Projekt an ihrer Schule und den Kontakten zu Gleichaltrigen aus Italien und Ungarn begeistert.Filme und Interviews
Was ist meine Heimat? Wo habe ich meine Wurzeln? Wo bin ich zu Hause? Unter anderem diesen Fragen sind die Teilnehmer des Erasmus-Projektes „Heimatkunde 2.0 – von der Heimat digital erzählen“ vom Georgianum und Partnerschulen aus Lucca und Mezöberény seit 2017 nachgegangen. Die rund 120 Jugendlichen haben mit dem Smartphone Filme produziert, Flüchtlinge interviewt und im Ludwig-Windthorst-Haus bei einem Planspiel europapolitische Zusammenhänge kennengelernt.
Und sie haben ihre Partnerschulen besucht, haben dort in den Familien ihrer Mitschüler gelebt und so das alltägliche Leben in Ungarn und Italien kennengelernt und auch über das Projektende hinaus bestehende Freundschaften geschlossen. Auch die aktuelle Politik spielte dabei immer wieder eine Rolle. „In Ungarn wurde natürlich auch über die Flüchtlingsproblematik gesprochen – es gab Pro und Kontra. Auf jeden Fall ergab dies neue Perspektiven für die eigene Meinung“, erklärte die diesjährige Abiturientin Rebecca Rolfes, die bei der offiziellen Abschlussveranstaltung in der Aula als ehemalige Schülerin von ihren Erfahrungen berichtete.
„Weltoffenheit, Solidarität und Toleranz sind Werte, die wir an unserer Schule vermitteln und mit Leben füllen wollen“, erklärte Schulleiter Manfred Heuer, und so heißt es auch im Leitbild der Schule: „Die Pflege internationaler Kontakte und die vielfältige fremdsprachliche Bildung unserer Schülerinnen und Schüler nehmen einen hohen Stellenwert ein.“
Ein breites Fremdsprachenangebot, bilingualer Unterricht in immer mehr Fächern, Austauschprogramme und Projekte wie dieses gehörten daher laut Heuer zum selbstverständlichen Profil der Schule, die seit 2008 auch als eine von zehn Schulen im Emsland als Europaschule zertifiziert ist. Erst im Juni 2019 haben Heuer und der für diesen Bereich und auch das Projekt „Heimatkunde 2.0“ zuständige Lehrer Gerd Höckner in Osnabrück die Rezertifizierungsurkunde erhalten.Lob vom Abgeordneten
„Diese Rezertifizierung ist dabei kein Selbstläufer, sondern ein aufwendiges Verfahren mit einer kritischen Bestandsaufnahme. Sie zeigt aber den hohen Stellenwert dieser Auszeichnung für uns“, erklärte Heuer. Zudem sei die Schule aber auch Umweltschule, sportfreundliche Schule, Schule ohne Rassismus und jüngst erst als Humanitäre Schule ausgezeichnet worden.
Dies und auch die von den Schülern präsentierten Ergebnisse des Heimatkunde-Projektes freute auch den Ersten Kreisrat Martin Gehrenkamp als Vertreter des Schulträgers: „Dank dieses Engagements schafft es das Georgianum, Schüler verschiedener Nationen miteinander in Kontakt zu bringen. Das ist wichtig. Denn Frieden wächst, wenn fremde Menschen miteinander reden und dadurch Vertrauen aufbauen können.“
Lob gab es an diesem Tag auch vom für die Region zuständigen Europaabgeordneten Jens Gieseke: „Das sind tolle Auszeichnungen und engagierte Schüler an dieser Schule.“ Derartige Programme aus Austauschmöglichkeiten böten große Chancen für die heutige Jugend: „Und was bedeutet da der Brexit? Jugendliche aus Großbritannien werden künftig von diesen Möglichkeiten nicht mehr profitieren können.“
Dabei sei Erasmus+ ein erfolgreiches Programm, für welches von 2014 bis 2020 insgesamt 14,7 Milliarden Euro zur Verfügung standen und stehen. „Künftig soll für diesen Bereich noch mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Natürlich unter dem Vorbehalt, wie der Haushalt nach dem Brexit aussehen wird“, erklärte Gieseke.
Unabhängig von der Größe des Geldbeutels
In Vielfalt geeint: Der Leitspruch der Europäischen Union verdeutlicht, dass jede Kultur, jede Tradition und jede Sprache eine Bereicherung und wichtiger Teil einer europäischen Identität ist.
Diese Vielfalt auch kennenlernen zu können – nicht nur aus Büchern, sondern real bei Austauschprogrammen, beim Wohnen in Gastfamilien, beim Studieren an fernen Hochschulen oder bei handwerklichen Praktika – ermöglicht seit vielen Jahren unter anderem das Erasmus-Programm. Und zwar unabhängig von der Größe des Geldbeutels der Teilnehmer oder deren Eltern.
Dieses Programm hat damit einen guten Anteil daran, dass zumindest die meisten Menschen in Europa seit beinahe 75 Jahren in Frieden leben können. Denn Menschen, die sich kennen und Verständnis für Besonderheiten ihrer Nachbarn haben, treten sich seltener feindselig gegenüber.
Von daher ist es gut, wenn nicht nur die zehn Europaschulen im Emsland dieses Programm ebenfalls nutzen und den Bewerbungsaufwand nicht scheuen. Neben Schülern, Lehrern und Eltern profitiert davon die ganze Gesellschaft. Wichtig in einer Zeit, in der jeden Tag deutlicher wird, das selbst der europäische Gedanke ein durchaus fragiles Gebilde ist und derzeit in zumindest einigen Ländern Populismus und Ausgrenzung auf fruchtbaren Boden fallen.
Lingener Tagespost vom 31.08.2019