Mit einer knapp einstündigen Inszenierung dieses bekannten Dramas des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt begeisterten die 21 Schülerinnen und Schüler ihr Publikum in der Aula des Gymnasiums Georgianum. Unter der künstlerischen Leitung von Frau Tilmann-Bürger gelang es der Spielschar aus dem 12. Jahrgang, den Dramentext mit dramaturgischen Kniffen eindringlich wirken zu lassen.
In einem spärlich dekorierten Bühnenraum führen die Seminarfach-Akteure die Zuschauer ein in den Kosmos eines ehemaligen Sanatoriums, das nun – zu einem Irrenhaus umgebaut – zum Ort dreier Morde und zur Bewahranstalt dreier vermeintlich verrückter Mörder wird. Nicht nur im modus operandi gleichen sich die Taten dieser Anstaltsinsassen, sondern sie verbergen damit auch alle ein Geheimnis, das die Vertreter des Staates in persona des Inspektors nicht aufdecken können.
Für sie, Krankenschwester Monika (re.), ist es verzehrende Liebe – für ihn, Möbius (li.), eine zu enge Beziehung, die seine Tarnung gefährdet. Und im Hintergrund – der Stuhl.
Denn scheint dem Polizisten die Ermordung der drei Pflegerinnen schnell als eine irre Tat von Verrückten. So wird dem Publikum schnell deutlich, dass die ermordeten Krankenschwestern nicht wegen eines irren Zufalls zu Opfern geworden sind, sondern ob eines unbarmherzig taktischen Kalküls. Es zeigt sich nämlich, dass diese drei ,Geisteskranken‘ ihren Zustand absichtsvoll vortäuschen – entweder indem sie vorgeben, Newton oder Einstein zu sein, oder indem sie sich als Vollstrecker des höheren Willens von König Salomo ausgeben. Alle drei Patienten, Kilton (Newton), Eisler (Einstein) und Möbius, sind Physiker und bewahren mit tödlicher Konsequenz ihr Geheimnis, dem ihre Pflegerinnen auf die Spur gekommen sind und das sich im Kern um den Patienten Möbius dreht.
Ein Moment komischer Dramatik, wenn sich Newton (li.) und Eisler mit ihren ,Waffen‘ bedrohen, um sich gegenseitig bei Möbius (sitzend) auszustechen.
Eben dieser Möbius ist ein physikalisches „Genie“, das mit seiner neuen Feldtheorie unvorstellbare Energien freisetzen könnte, was ihn so interessant für ausländische Geheimdienste macht, als deren Vertreter sich Kilton und Eisler alsbald offenbaren. Beide versuchen, Möbius für ihr Land, für ihr System zu gewinnen. Der aber will seine Erkenntnisse nicht der „Machtpolitik eines bestimmten Landes“ zur Verfügung stellen. Seine Maxime ist, die Menschheit vor dem Untergang durch seine Entdeckungen zu bewahren – deswegen seine geistige Immigration, mit der er seine Familie verliert, deswegen auch die Verbrennung seiner Manuskripte, mit der seine 15jährige Forschungsarbeit vernichtet. Es gelingt ihm, seine beiden ,irren‘ Wissenschaftskollegen davon zu überzeugen, für immer im Sanatorium zu bleiben, um das Geheimnis vor der Welt zu bewahren. Doch sie ahnen nicht, dass sie schon seit langem durchschaut worden sind, dass sie gefangen sind – im Intrigennetz der Anstaltsleiterin von Zahnd. Sie offenbart sich als ,getreue Gehilfin‘ des goldenen Königs (Salomo), der ihr befohlen haben will, alle Gespräche der Physiker abzuhören und alle Aufzeichnungen von Möbius zu kopieren.
Treibt zum eigenen Nutzen ihr hinterhältiges Spiel mit ihren Patienten – Frau Dr. von Zahnd (li.)
Verzweifelt müssen die Forscher (s.o.) erkennen, dass die „verrückte Irrenärztin“ ein weltumspannendes Unternehmen gründet, dass letztlich ihre Taten und eigenen Opfer sinnlos gewesen sind.
Sinnvoll dagegen ist und bleibt jede Aufführung in Schule und Gegenwart. Denn auch 57 Jahre nach der Uraufführung bleibt das Drama über die Verantwortung der Wissenschaft überaus aktuell. Mit ihrer Aufführung reihten sich die begeisternden Schauspielerinnen und Schauspieler ein in die lange Kette der Mahnenden. Und dass das so zeitgemäß gut gelang, gründete auf einer intensiven Bearbeitung und einer geschickten dramaturgischen Umsetzung. Neben einer sinnhaften Überarbeitung des Textes, um die Textmenge für die kurze Erarbeitungszeit erlernbar zu machen, betonte die Schulaufführung – ganz Dürrenmatt verpflichtet – das Komödiantische des Stücks.
Mit einem offen auf der Bühne agierenden Souffleur (re.) konnten nicht nur allzu lange Texthänger vermieden, sondern auch wichtige Inhalte komprimiert dem Publikum vermittelt werden.
Dazu diente auch die Einbindung einer neuen Figur in das Stück – der Stuhl (s.o.). Aus den Proben heraus von den Schülern entwickelt, überrascht die Zuschauer seine Existenz, begründet sie aber zugleich einfach sinnfällig, wenn der Stuhl – hinter den Agierenden – durch Text, Mimik und Gestik für die begeisterten Theaterbesucher an diesem Abend mal zum Gewissen, mal zum Kommentator, mal zum Orakel der Handlung – und so gleichsam zum Stuhl der WeisIn wird.
Als Vertreter der Schulleitung überreichte Herr Heß (re.) zunächst der künstlerischen Leitung, Frau Tilmann-Bürger (4. von li.), ein Präsent und darauf…
allen Mitwirkenden eine kleine Gabe der Anerkennung für diese fantastische Leistung nach der langwierigen und mühevollen Erarbeitung des Stücks im Seminarfach.
Text und Fotos: Stefan Roters.