Brüder von Wilhelm Busch waren Georgianer

Geschichte des Lingener Gymnasiums ist reich an Namen

Von Johannes Franke

Kranzniederlegung

Traditionelle Kranzniederlegung am Gedenkstein für die gefallenen Lehrer und Schüler der beiden Weltkriege durch die Vorstandsmitglieder Hans-Peter Schmidt und Walter Schulz vom Georgianervereins. Fotos: Georgianum

 

Martin Kruse

Altbischof Dr. Martin Kruse, Ehrenbürger der Stadt Lingen, las während des Georgianertreffens 2010 aus seiner Biografie „Es kam immer anders“.

 

Werner Brinker

Als ehemaliger Georgianer hielt Werner Brinker, Vorstandsvorsitzender der EWE AG in Oldenburg, beim letzten Georgianertreffen 2010 den akademischen Festvortrag.

 

In den Annalen des Lingener Gymnasiums Georgianum sind sie seit 1820 zumindest namentlich erwähnt: Direktoren, Lehrer und über 20 500 Schüler, die an der „Alten Penne“, in der Heidekampstraße und Kardinal-von-Galen-Straße lehrten und lernten.

Von 1832 bis heute erreichten über 9000 Schüler ihr Abitur. Friedrich Heidekamp war der erste Rektor von 1820 bis 1831, Hermann Brand der erste Abiturient. Der Sohn eines Predigers erlangte 1832 seine Reifeprüfung und studierte Theologie in Göttingen.

Im Internet sind unter „Wikipedia Georgianum“ eine Vielzahl von berühmten Lehrern und Schülern der Lateinschule, Academie und des Gymnasiums aufgelistet, die sich einen anerkannten Namen erwarben.

Der humoristische Zeichner und Dichter Wilhelm Busch aus dem Schaumburger Land ist weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Seine Brüder Otto und Hermann wohl weniger. Wahrscheinlich nicht einmal in Lingen. Dabei hatten die Eltern die beiden Söhne in die Obhut des Direktors Ernst Nöldeke gegeben. Ostern 1862 und 1864 legten sie am Georgianum ihr Abitur ab. Ob sie Schülerstreiche in Art und Manier durchführten, wie Max und Moritz es mit Lehrer Lämpel taten, ist nicht überliefert. Daneben schon, dass ihre Schwester Fanny Busch mit Hermann Nöldeke, Sohn des Direktors, verheiratet war.

Aufschlussreich sind die Quellen über die 1109 Abiturienten, die von 1832 bis 1933 ihre Reifeprüfung erlangten. Aufgelistet in laufender Nummer, versehen mit persönlichen Daten und familiären Daten, geben sie Auskunft über die Verweildauer am Gymnasium und über die gewählten Berufe. Darunter zu Beginn überwiegend Theologie, Jura, Medizin, Mathematik, Philologie, Naturwissenschaften und Anfang des 20. Jahrhunderts Berufe wie Offizier, Elektrotechnik, Tiermedizin, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Bankfach, Nationalökonomie oder Kaufmann.

Zu den bekannten Theologen zählt zweifellos Hermann Wilhelm Berning, der 1895 das Abitur ablegte, Theologie studierte und von 1914 bis 1955 Bischof von Osnabrück war. Auch der Frerener Franziskus Demann, Abitur Ostern 1921, studierte Theologie. Er wurde am 27. März 1957 zum Bischof in Osnabrück geweiht. Am Tag seines Pontifikats verstarb er, als er die auf ihn wartenden Menschen auf dem Domvorplatz segnen wollte.

Martin Kruse, Abitur 1947, studierte Theologie, war von 1977 bis 1994 Bischof von Berlin-Brandenburg und von 1985 bis 1991 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Lingens Ehrenbürger kam bislang immer zum Georgianertreffen. Ebenso ist vielen Wilhelm Buitkamp als evangelisch-reformierter Theologe bekannt. Geboren am 8. August 1900 in Lingen, gestorben am 13. Juli 1967 in Osnabrück, war er von 1953 bis 1965 Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche in Nordwestdeutschland.

Der Lingener Erwin Wilken, geboren am 11. Juli 1914, studierte nach seinem Abitur im Jahre 1933 am Georgianum evangelische Theologie. Im Zweiten Weltkrieg diente er im Heer, zuletzt als Offizier im Generalstab des Heeres. Nach Kriegsende wirkte er einige Jahre als Pfarrer. Von 1951 an war er für die Vereinigte Evangelische-Lutherische Kirche Deutschlands tätig. 1964 wurde er Mitarbeiter der Kirchenkanzlei der EKD und 1974 deren Vizepräsident.

Ein anerkannter Theologieprofessor ist Dr. Helmut Hoping, Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg, Zum Georgianertreffen kommt als ehemaliger Schüler Michael Heinig, Professor und Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, insbesondere für Kirchenrecht und Staatskirchenrecht. Er wird am Samstag den akademischen Festvortrag in der Aula halten.

Im Direktorenzimmer des Georgianums steht die Büste von Johannes Miquel und schaut dem heutigen Schulleiter Manfred Heuer quasi über die Schulter. Geboren 1828 in Neuenhaus, gestorben 1901 in Frankfurt am Main, hatte er als Oberbürgermeister in Osnabrück sowie Frankfurt und danach als preußischer Staats- und Finanzminister und Reformer gewirkt. Der Straßenname in den Bögen erinnert an ihn. Eher nur als Verwaltungsrechtlern bekannt ist Georg August Grotefend, Abitur 1850, der sich mit der Herausgabe des preußischen Verwaltungsrechts einen Namen erarbeitete.

Als ehemaliger Oberbürgermeister und Bundespolitiker sind die Lingener Heiner Pott und Hermann Kues bekannt.

Viele Musiker, Künstler, Sportler vom Georgianum und ehemaligen Johanneum sind auf der Homepage der Schule aufgelistet. Peter van Roye, ehemaliger deutscher Ruderer, gewann die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal.

Ingo Schultz gewann 2002 in München die Goldmedaille beim 400-Meter-Lauf für den DLV. Stefan Wessels, der Torwart in Schepsdorf und beim TuS Lingen war, hielt bereits mit 19 Jahren beim FC-Bayern München „den Kasten sauber“. Die MusikerinAnnette Focks hat inzwischen einen großen Namen als anerkannte Filmmusikkomponistin. Merle Collet, Abitur 1986, ist bekannt als Schauspielerin, Autorin und Moderatorin. Hermann Große-Berg absolvierte nach seinem Abitur 1987 eine Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und ist als Theaterschauspieler auf vielen deutschsprachigen Bühnen zu erleben. Karl-Heinz Hense, 1946, wurde unter dem Pseudonym Jan Marthens deutscher Schriftsteller und Journalist. Rudolf Rohlinger, 1926–2011, wurde als Redakteur, vor allem als Fernsehjournalist und Moderator, bei der ARD als Wahlberichterstatter und beim Magazin Monitor bekannt.

Weniger bekannt ist Ferdinand Diedrich Lessing, geboren am 26. Februar 1882, gestorben 1961 in Berkeley, Kalifornien. Nach dem Abitur 1902 wurde er Sinologe, Mongolist und Kenner des Lamaismus, verfasste Lehrbücher und ist Verfasser eines Mongolisch-Englischen Wörterbuchs.

Unter der Rubrik „Bekannte Lehrer“ sind Persönlichkeiten aufgeführt, die in Lingen während der oranischen Zeit und danach an der „Hohen Schule“ und dem Georgianum wirkten. Von Heinrich Theodor Pagenstecher, 1719–1721 Professor an der juristischen Fakultät, bis Friedrich Gustav Lahrmeyer, 1866 Direktor am Georgianum, der ab 1869 der ersten hannoverschen Landessynode angehörte, finden sich 16 Hinweise.

Neben vielen anderen ehemaligen und jetzigen Lehrern bleibt sicherlich Oberstudienrat Josef Möllenbrock, der von 1955 bis 1977 die Schüler u. a. im Fach Geschichte unterrichtete, in Erinnerung.

Weitere Verlinkungen auf der Homepage des Georgianums unter www.gymnasium-georgianum.de vermitteln Einblicke in das Leben und Wirken zahlreicher ehemaliger Schüler, die Persönlichkeiten im öffentlichen Leben wurden, und beschreiben deren interessante und beachtenswerte Laufbahn und Karriere.

Lingener Tagespost vom 27. August 2015