Georgianertreffen an diesem Freitag – Fackelzug durch die Innenstadt
Von Johannes Franke
Bei bester Laune tauschten diese jungen Leute beim Georgianertreffen 2010 ihre Erinnerungen aus.
Traditionell ist der Fackelzug der Georgianer zum Auftakt des Treffens. So wie vor fünf Jahren wird es auch am Freitagabend sein. Treffpunkt ist um 20.30 Uhr der Alte Pferdemarkt. Fotos: Johannes Franke
Zum 16. Mal findet an diesem Freitag das Treffen der Ehemaligen des Gymnasiums Georgianum in Lingen statt. Wie sich die Bilder gleichen. Spitznamen bekamen die Lehrer immer schon, hießen Coronella, Bubi, Spitz und Möpi und wie sie alle genannt wurden, die einst an der „Alten Penne“ lehrten. Sie und viele andere werden in der Erinnerung wieder gegenwärtig, wenn die ehemaligen Georgianer als Oldies, Mittelalter und Youngster zusammenkommen und es ab Freitagabend wieder heißt: „Gaudeamus igitur“ („Lasst uns also fröhlich sein“).
In der Schilderung des Premierentreffens von 1930 schwingt Begeisterung mit: „Die ganze Bevölkerung war auf den Beinen. Ein wogender Strom von Fackeln zog durch die alten, bekannten Straßen.“ Der ehemalige Schulleiter Dr. Wilhelm August Fricke sprach beim ersten Treffen: „Neben der klassischen Bildung erschlossen sich uns in den Schulvereinigungen Tummelplätze für jugendliche Begeisterung, Freundschaft und Kameradschaft, im Turn- und Ruderverein für sportliche Neigungen und in der Schülerkapelle für musikalische Betätigung.“
So pathetisch wird heute nicht mehr gesprochen, aber die Freude auf das Wiedersehen ist schon spürbar. Denn seit dieser Woche und spätestens Freitagabend sind sie wieder im Lande, wohnen bei ihren Familien, Freunden, Bekannten, im Hotel, um nach fünfjähriger Abstinenz gemeinsam zu feiern. Traditionell heißt es dann: „Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun…“ Das Wetter spielt mit, Fackeln und rote Mützen werden nicht nass, und so kann das Festprogramm bis Sonntagnachmittag auch unter freiem Himmel gefeiert werden. Bereits 1880, als das Georgianum in feierliche Weise sein 200-jähriges Jubiläum feierte, gehörte der Fackelzug zum Festprogramm. Auch die 250-Jahr-Feier im Jahr 1930 und die folgenden 15 Georgianertreffen begannen mit einem Fackelzug.
Die roten Mützen waren damals schon ein Erkennungszeichen, ein Symbol für Schüler- und Schulgemeinschaft. Zu erwerben waren sie im Hotel Nave, gegenüber vom Bahnhof, wo die Ehemaligen sich zur dreitägigen Feier eintrugen. Heute tragen die Georgianer nicht mehr allein die roten Mützen, wenn sie ihr Abitur bestanden haben. Versehen mit dem Schriftzug Georgianum, Noten und Unterschriften sind sie ein zu behütendes Schätzchen. Ab Freitagabend zieren sie wieder viele Köpfe in der Stadt, und an vielen Stellen heißt es wieder: „Schön, dass du auch gekommen bist. Weißt du noch…“
Schülerkapelle voran
Solange sie existierte, marschierte die Schülerblaskapelle beim Fackelzug unter den Klängen des Kievelinger-Marsches voran. Heute kaum noch vorstellbar ist, dass Ausflüge und Wanderfahrten der Georgianer einmal von einer Schüler-Musikkapelle begleitet worden sind. Doch ab den 70er-Jahren im 19. Jahrhundert, als der Bläserchor am Georgianum unter Schulleiter Dr. Gottlieb August Lüttgert (1871 bis 1890) gegründet worden war, war das der Hit. Vor allem Marschmusik sorgte für den richtigen Takt bei Schulausflügen. Ständchen brachte man den Jubilaren, oder die Musik umrahmte die Feier bei Lehrerverabschiedungen. Es gab auch öffentliche Konzerte auf der Wilhelmshöhe, und dem damaligen Stadtoberhaupt Johannes Meyer gratulierte die Schüler-Musikkapelle vor seiner Wohnung am Markt.
Der Lohn für dieses Musikverständnis: Einladung zu einem Fass Bier auf der Wilhelmshöhe. „Von der Schulleitung wurde diese Kneipe ignoriert, da ein solcher Fall in den Schulgesetzen nicht vorgesehen war“, schreibt der ehemalige Schulleiter (1893 bis 1894) Professor Dr. Wilhelm August Fricke, in seinen „Erinnerungen an die Schüler-Musikkapelle“. Sie spielte überwiegend zu freudige Anlässen und gab damals schon beim Karnevalstreiben in der Stadt den Ton an. Von der Schule zwar strengsten untersagt, ging sie als vermummte Schülerkapelle. Das war „ein für Lingen unerhörtes Ereignis und bedeutete für die Schulleitung eine schwere Herausforderung“, hatten doch einige Lehrer eine „gewisse Abneigung gegen den Musikverein“.
Die Einstellung änderte sich hin zu einem „gewissen Wohlwollen“, trug die Musik doch zur „Erhöhung der Wanderstimmung bei Aus- und Einmärschen, den alljährlichen Schulausflügen, Turnfahrten bei“. Doch auch bei Traueranlässen, zum Tode verstorbener Lehrer und Mitschüler spielte die Schüler-Musikkapelle. So zum Beispiel beim Tod des Hausmeisters Emil Metz, der 39 Jahre seine „treuen Dienste vorzugsweise verrichtet hatte und auch als Turn- und Schwimmlehrer in der damaligen Badeanstalt an der Ems“ eingesetzt worden war.
Schüler in der Feuerwehr
Die Entstehung der Schüler-Musikkapelle beim Georgianum steht übrigens im Zusammenhang mit der Gründung eines Feuerwehrvereins, den die Primaner damals aus der Taufe gehoben hatten. Hermann Paul, Abiturient 1887 und später Obermedizinalrat, schreibt: „ Ferner wurde zu meiner Zeit ein Feuerwehrverein der Primaner gegründet. Der Magistrat des Städtchens hatte dazu eine kleine Feuerspritze zur Verfügung gestellt.“ Während seiner Primanerzeit brannte es „zum Glück“ mehrmals in der Stadt, und jedes Mal war die Primanerspritze als erste zur Stelle und konnte „in einem Falle den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, das Nachbarhaus einer Bürstenfabrik vor dem Abbrennen gerettet zu haben“.
Die Feuerwehrschüler erhielten von der Feuerversicherung „Löschprämien“ und gründeten damit die Schüler-Musikkapelle. Schüler Hermann Paul war erster Kommandant der Schüler-Feuerwehr und Tuba-Bläser der Schüler-Musikkapelle.
Obwohl die Schüler nur laienhafte Feuerlöschgeräte besaßen, bekamen sie fast immer eine Löschprämie, denn „wir hatten nämlich die jüngsten Beine und waren in der Fixigkeit den übrigen Wehren überlegen“. Weiter wird szenisch geschildert: „Wenn die Brandglocken der Kirchen, das Gewimmer des Rathausglöckchens, die kurzgezogenen Brandsignale der Eisenbahnwerkstätte, das schaurig dumpfe nächtliche ‚Tut‘ der Nachtwächter oder helle Trompetensignale der Turner uns aus der Klasse stürzen oder nachts in die Kleider fahren ließ, dann ratterten wir mit unserer museumsreifen Feuerspritze über die Katzenköpfe des Lingener Pflasters dahin, dass die Funken stoben und die Straßenecken rasiert wurden.“
Lingener Tagespost vom 28. August 2015