Wie in den Jahren schon zuvor organisierte die Fachschaft Geschichte auch in diesem Schuljahr für den zehnten Jahrgang unserer Schule einen informativen Besuch der Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Esterwegen.
Dieser besondere Ort des Erinnerns steht pars pro toto für die insgesamt 15 Emslandlager, die in den Jahren 1933 – 1945 in den heutigen Landkreisen Grafschaft Bentheim und Emsland zunächst als KZ und später als Straf- und Kriegsgefangenenlager errichtet worden sind. Nach Schätzungen inhaftierte das NS-Regime in den zwölf Jahren bis 200.000 Personen, wobei von 1933 – 1936 vorwiegend politische Gefangene, die sog. „Schutzhäftlinge“, in den Lagern durch schwere Arbeit menschlich gebrochen und politisch umerzogen wurden. Nachdem die SS die Lager an das Reichsjustizministerium übergeben hatte, inhaftierte das NS-Regime Strafgefangene und mit Fortschreiten des Krieges gefangene Soldaten aus den überfallenden Ländern. Eine weitere Opfergruppe, die gezwungen wurde, unter unmenschlichen Bedingungen im Moor zu arbeiten, waren die sog. „Nacht-und Nebel-Gefangenen“, willkürlich verhaftete Widerstandskämpfer aus Frankreich, Belgien oder Holland.
Die einmalige Möglichkeit, an einem regionalen Beispiel aufzuzeigen, wie perfide und mit welcher Menschenverachtung die Diktatur gegen innere und äußere Feinde vorgegangen ist, präsentiert die Gedenkstätte jedem interessierten Schüler durch ein durchdachtes Konzept, das einen Vortrag, eine Erkundung der Ausstellung und des Außengeländes umfasst. Mit dem Vortrag, der an die Inhalte des Geschichtsunterrichts anknüpft, wird Bedrückendes über das Leben in den Lagern vermittelt, wobei Wert darauf gelegt wird, dass die vielen Opfer zu Wort kommen – mit deren Gedichten und Liedern, durch Auszügen aus ihren Tagebüchern oder mit den erschütternden Zeichnungen.
Die historische Luftaufnahme im Foyer der Gedenkstätte zeigt deutlich die grobe Unterteilung des ehemaligen KZs – rechts der Bereich der Gefangenen und links der Bereich der Wachmannschaften.
Blick vom Eingangsbereich in den Gang, der zur Ausstellung und zu den Seminarräumen führt.
Herr Ausländer (r.) von der Gedenkstätte Esterwegen ordnete den Ort historisch ein und veranschaulichte den Zehntklässler eindringlich das Leben in den Emslandlagern. Am Ende seines Vortrages berichtete er über die Befreiung der Lager (Bild) 1945.
Auch der Ausstellungsraum – in seiner äußeren Struktur chronologisch von 1933 – 1945 aufgebaut – vermittelt ebenso eindrücklich, die klare Absicht den Opfern und deren Schicksal ein Gesicht und ihr Leben ,wiederzugeben’.
Neben Stellwänden und weiteren interessanten Ausstellungsstücken beeindruckte vor allem die Wand mit Portraits von 244 Opfern – sie war derAusgangspunkt für die Schüler, in Kleingruppen ein Opferschicksal zu erforschen.
Auf den Spuren eines Lebens – Georgianer verfolgen den Lebenslauf eines Opfers und…
…es zeigte sich, dass jedes Leben eingebunden ist in ein historisches Bedingungsfeld, über das die Stellwände und Schaukästen Auskunft gaben.
Herausfordernder für die Georgianer wurde nach Vortrag und Ausstellungsbesuch der Gang über das historische Gelände des Lagers. Denn wie kann eine Gedenkstätte gestaltet werden, wenn von den ehemaligen Holzbaracken nichts mehr zu sehen ist?
Blick vom Außengelände auf das Foyer der Gedenkstätte
Auf der Lagerstraße, die das Lager von Ost nach West durchzog. Die Stahlelemente deuten die ehemalige Umgrenzung an – im Hintergrund das Lagertor zum Bereich des ehemaligen KZs und im Vordergrund die Pfeiler für das Tor zum des Strafgefangenenlagers nach der Erweiterung des Komplexes im Jahr 1937.
Heute eine allein schon wegen ihrer Höhe eindrucksvolle Stahlwand – vor über 70 Jahren der Ort eines Wachturms, von dem aus – so die damalige Lagerordnung – jeder erschossen wurde, der sich nach ,Einschluss‘ dem Lagerzaun näherte.
Die Schlichtheit verwundert, regt an und beeindruckt sogleich. Die sog. „Baumpakete“ markieren den historischen Standort der einzelnen Baracken.
Betreten und begehen erwünscht – die breite Aufschüttung von Lavagestein im ehemaligen Häftlingsbereich symbolisiert die Verbindung zum Torf und zum Moor.
Gerade für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft bietet sich mit der Gedenkstätte Esterwegen ein einmaliger und besonderer Ort des Erinnerns und Gedenkens an. Den Georgianern wurde eindrücklich aufgezeigt, wie die Missachtung der Menschenwürde und der Menschenrechte Gewalt und Willkür hervorgebracht hat. Dieser Ort zeigt auch das aufrichtige Bestreben unserer demokratischen Gesellschaft, sich mit dem Thema in all seinen Dimensionen sachgerecht umzugehen; er wird seit seiner Eröffnung vor knapp sechs Jahren durch die politischen Veränderungen in der Bundesrepublik sowie in der EU und durch internationale Vorhaltungen immer wichtiger. Denn diese Gedenkstätte beweist jedem einsichtsfähigen Besucher die intensive Auseinandersetzung mit den Tätern aber vor allem mit dem Schicksal der Opfer – zum Nutzen für die Gegenwart und wider das Vergessen.
Text: Stefan Roters. Bilder: Alexander Pfleging, Stefan Roters.